Der Weltbaumeister

26. 8. 2015 // // Kategorie Randnotizen 2015

der weltbaumeister_studio asynchrome

… keine Bewegung mehr – das Bild steht still – die Musik schwebt auf einem unendlich langen Ton – bis es langsam dunkel wird.

Lieber M. du kennst die Zeilen …

Heute war ich in diesem Theaterstück, von dem du letztens gesprochen hast – „Der Weltbaumeister“. Ich muss dir sagen, ich war sehr überrascht, da das Schauspiel ja aus 3 Akten bestehen sollte. Nach dem ersten Akt der Natur und dem zweiten Akt der Architektur endete aber bereits das Stück. Wo aber war die Erforschung des utopischen Kosmos? Oder müssen wir uns selbst auf eine Spurensuche begeben?

Sind es die gegenwärtigen Tendenzen und Gegebenheiten welche bewusst im Dunklen gelassen werden? Oder ist es die utopielose Zeit nach Lyotard von der wir gerade sprechen? Wer ist der Drahtzieher im Marionettentheater? Wer sind die Mannequins – idealiserte Menschen, beliebig steuer- und austauschbar? Wo ist meine Position als diejenige, die im Publikum sitzt und nur mehr zuschauen kann, während die Manipulationsmechanismen undurchschaubar die transformierte Szenerie bestimmen? Es ist das Bild, das still steht – die Musik jedoch schwebt. Stillstand oder Schwebe. Ist das Testbild (oder ist es ein Störbild) auf dem die Strukturen aufgebaut und von oben bestimmt werden, ein Sinnbild für die „richtige“ Sendersuche in der Gegenwart?

Weißt du noch, als wir versucht haben unsere Bewegungen in der Mitte der Schaukel auszubalancieren? Daran hat mich das Schweben errinnert – ganz kurz vor dem Moment, an dem man noch nicht genau weiß, ob es nach oben oder nach unten gehen wird. Auch du kennst dieses Gefühl! Doch ist es nicht viel mehr die Ungewissheit die uns lähmt? Oder ist es das Dunkel selbst?

Ohne Dunkel kann es kein Licht geben, oder? Was ist eigentlich mit dem Schatten?

Tanizaki meint dazu: „Wir erfreuen uns an jener zarten Helligkeit, die entsteht, wenn ein bereits diffuses Außenlicht allenthalben die dämmerfarbigen Wandflächen überzieht und nur mit Mühe einen Rest von Leben bewahrt.“

Die Fokussierung auf die Transformation in der Zentralperspektive zeigt doch die Veränderungen des Menschen zu seiner Umwelt. Vielleicht ermöglicht das Dunkel sich von dieser über Jahrhunderte festgelegten Perspektive zu lösen, den Blick auch wieder nach oben, unten, rechts und links schweifen zu lassen, die Zusammenhänge für sich selbst zu erfahren und somit wieder die Grundlagen für Utopien zu schaffen. Wir sollten nicht immer dem Kapital als oberste Instanz huldigen, sondern die Gemeinsamkeiten von uns und unserer Umgebung erkennen. Die Suche beginnt im Kleinen – in den Möglichkeitsräumen innerhalb der Strukturen. Was meinst du dazu?

Ich verbleibe mit den besten Grüßen aus dem Areal der Weltenbürger.

M.

PS: Falls du dir das Stück nochmal anschauen möchtest, hier gibt es noch Karten: „Der Weltbaumeister“